Louise Zietz

Andreas Samtleben | Aktualisiert: 16.07.2022 21:04 Uhr

Wer sich am 03.07.2022 auf den Weg gemacht hatte, um auf Einladung der SPD-Bargteheide zur Ehrung einer großen Sozialdemokratin im Kleinen Theater Bargteheide zusammenzukommen, verspürte Magie. Die Ehrung zum 100. Todestag von Louise Zietz erweckte den Eindruck, dass die am 27.01.1922 verstorbene Bargteheiderin, wie selbstverständlich unter den Anwesenden weilte. Eindrücke aus dem Leben von Louise Zietz machten sie förmlich spürbar, die Kraftanstrengungen, die sie auf sich nehmen musste, um überhaupt etwas für die Frauen in einer von Männern dominierten Welt des 19. und 20. Jahrhundert bewegen zu können. Doch ist sie Vergangenheit, die Dominanz der Männer? Wie sieht die Gleichberechtigung von Frau und Mann im 21. Jahrhundert aus? Gleicher Lohn? Nein!, Würdigung der Doppelbelastung Beruf und Familie für die Frauen? Nein!, Recht auf Selbstbestimmung? Schwierig! Darüber sprachen und diskutierten die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Aydan Özoğuz, die Vorsitzende der SPD Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, sowie die stv. Kreisvorsitzende der Jusos Stormarn, Pia Dietz. Sehr einfühlsam vom SPD-Bundestagsabgeordneten Bengt Bergt moderiert.
Für den Kreis Stormarn übermittelte Kreistagspräsident Werner Harmuth und für die Stadt Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht ihre Grußworte.

Gerrit Kronenberg bei seiner Rede zur Ehrung des 100. Todestag von Louise Zietz Foto: Timon Kronenberg

Schon seit Jahren ist es dem Vorstand der SPD-Bargteheide und hier besonders dem jetzigen Ortsvorsitzenden Gerrit Kronenberg eine Herzensangelegenheit, dieser großartigen Frau aus Bargteheide den ihr gebührenden Platz in Bargteheide zu geben. Und so machte er sich trotz aller Widrigkeiten auf, um diese sehr würdevolle Ehrung wahr werden zu lassen. Mit einer verzaubernd dekorierten Bühne, kraftvollen Exponaten des Kunstkreises Bargteheide, lebendige Erinnerungen aus dem Leben von Louise Zietz, vorgetragen von den Gastrednerinnen Aydan Özoğuz und Serpil Midyatli und Ausschnitten aus einem, von Schülerinnen und Schüler der Dietrich-Bonhoeffer-Schule erstellten Podcast, gelang den Beteiligten eine wundervolle und bewegende Erinnerung.


Fotos: Timon Kronenberg


kurz notiert

Luise Zietz
Bild von unbekannt – Büro des Reichstags (Hg.):
Reichstags-Handbuch 1920, I. Wahlperiode,
Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1920, PD-§-134

Catharina Amalie Louise (auch Luise) Zietz wurde als ältestes von vier Kindern am 25.03.1865 in Bargteheide geboren. Mit nur 57 Jahren starb sie in Berlin, wo sie auch begraben wurde.

Ihre Kindheit war von großer Armut geprägt, schon von klein auf an, musste sie in der Heimweberei ihres Vaters mitarbeiten. Das hielt sich jedoch nicht davon ab, in ihrer kargen freien Zeit ihren „Bildungshunger“, wie es die Zeitschrift „Vorwärts“ am 26. Januar 1932 in einem Artikel zum 10. Todestag von Louise Zietz beschrieb, zu stillen.

Mit vierzehn wurde ihr das Dorf Bargteheide dann zu eng und es verschlug sie nach Hamburg. Hier arbeitete sie als Dienstmädchen, als Kaffeeleserin und in einer Tabakfabrik. Auch hier nutze sie jede freie Minute zur Lektüre und Weiterbildung. Schließlich machte sie noch eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.

In Hamburg lernte sie ihren späteren Ehemann, den Hafenarbeiter Carl Zietz kennen. Er machte sie mit der Sozialdemokratie vertraut. Ab 1892 engagierte sie sich aktiv in der SPD und im Fabrikarbeiterverband für Frauenrechte. Während des Hamburger Hafenarbeiterstreiks von 1896 trat Zietz zum erstmals als Rednerin und gute Organisatorin in Erscheinung. Spätestens seit der ersten SPD-Frauenkonferenz am 15. September 1900 galt sie als führende Persönlichkeit der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Als nach der Verabschiedung des Reichsvereinsgesetz am 15. Mai 1908 auch Frauen in Vereine und Parteien eintreten durften, wird Louise Zietz zum ersten weiblichen Mitglied in den SPD-Parteivorstand gewählt.

Auf der „Zweiten Internationalen Frauenkonferenz“ im Jahre 1910 in Kopenhagen, stellte sie eine Resolution zum allgemeinen Frauenwahlrecht vor und initiierte zusammen mit Clarta Zetkin den Internationalen Frauentag.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 kam es zu Spannungen in Luise Zietz Umfeld. Zwar unterstützte sie aus Parteiräson die öffentlich vom SPD-Parteivorstand propagierte Kriegshilfe, gehörte sie persönlich jedoch zur innerparteilichen Antikriegsopposition. Im Jahre 1915 unterschrieb sie einen „Offenen Brief“ von Karl Liebknecht, der sich gegen die Politik des Burgfriedens der SPD richtete. Dies führte zur Amtsenthebung durch den Parteivorstand.

Zietz gründete daraufhin 1917 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland (USPD) mit. 1919 wurde sie für die USPD in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und vertrat die Partei bis zu ihrem Tod 1922.