Polemik statt Politik

15.10.2022 | Aktualisiert: 16.10.2022

Die lokale Wochenzeitung Markt für Ahrensburg/Bargteheide/Trittau gibt Politikern und Parteien in ihrer Mittwochs-Ausgabe die Möglichkeit, ein Politikerwort (PoWo) zu schreiben, reihum.
Das Politiker-Wort vom 12.10.2022 auf Seite 2 wurde vom Bürgerlichen Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen und Vorsitzenden des Ausschusses für Umwelt, Klima und Energie (UKE) Matthias Leidner verfasst.
Die Politikerworte werden von den anderen Parteien oft zur Kenntnis genommen und gut. Dieses Mal ist es anders. Sowohl die FDP als auch die WfB wollen das geschriebene PoWo so nicht auf sich sitzen lassen.

Vorgeschichte

Im für den am 14.09.2022 angesetzten UKE-Ausschuss gab es mit Punkt 6 den einzigen Tagesordnungspunkt, bei dem an diesem Tag etwas entschieden werden sollte. Es ging um die „Änderung der Richtlinie des Klimaschutzförderfonds – Mini-PV-Anlagen“. Der Ausschussvorsitzende Matthias Leidner konnte an diesem Tag wegen Abwesenheit den Ausschuss selbst gar nicht leiten. Sein Stellvertreter von der FDP Gorch-Hannis la Baume war ebenfalls verhindert. Weitere Ausschussmitglieder einer anderen Partei hatten sich bereits vorher abgemeldet. Nach langem Hin und Her wurde die Sitzung dann abgesagt.

Es fand somit auch kein Austausch zu dem o.g. Tagesordnungspunkt 6 statt. Trotzdem greift Matthias Leidner andere Parteien als „kurzsichtig, ignorant und unsozial“ an.

Oscar Radunski von der FDP-Fraktion antwortet wie folgt auf diesen schwerwiegenden Vorwurf:

Polemik statt Politik

Die Stadtvertretung in Bargteheide ist sich einig, dass der Klimawandel ein drängendes Problem und Umweltschutz eine wichtige Aufgabe ist.

Zu diesem Zweck arbeiten die Parteien gemeinsam an Lösungen im Umweltausschuss unter der Leitung von Herrn Leidner.

Wir streiten über Anträge und werben um die besten Ideen. Dabei darf jedoch die Quantität von Anträgen niemals über mangelnde Qualität der Umsetzung und Zielsetzung hinwegtäuschen.

Lehnt eine Mehrheit einen Antrag ab, wie es in der Demokratie nicht unüblich ist, dann liegt dies nicht am bösen Willen der Mehrheit, sondern an den schwächeren Argumenten der Antragsteller oder dem durchschaubaren Versuch der Profilierung auf Kosten der Steuerzahler.

Es ist deswegen nur schwer nachvollziehbar, wenn im aktuellen Politikerwort (12.10.2022) der Grünen, geschrieben vom Ausschussvorsitzenden des Umweltausschusses, davon gesprochen wird, dass die Ausschussmitglieder aller anderen Parteien „ignorant und unsozial“ seien. Den Kolleginnen und Kollegen den Willen und Mut zum Klimaschutz abzusprechen, weil sie zu anderen Schlüssen kommen, kommt der Aufkündigung des kollegialen Miteinanders gleich und ist einem Ausschussvorsitzenden schlicht unwürdig und ist für das Miteinander in der Bargteheider Stadtvertretung ein außergewöhnlicher und enttäuschender Vorgang. Schließlich würde auch keine andere Partei auf die Idee kommen, die Grünen als „ignorant und unsozial“ zu bezeichnen, wenn mit den Stimmen der Grünen der Bau von Sozialwohnungen verhindert oder die Nutzungsrechte von Grundstückseigentümern eingeschränkt werden würden. Es ist der Wettbewerb der Meinungen und Ideen, der darüber entscheidet, ob ein Antrag von der Mehrheit getragen wird.

Zudem bedeutet auch nicht jeder Antrag, der sich den schillernden Begriff des Klimaschutzes zu eigen macht, einen Schritt hin zur Klimaneutralität. Die Lust zur Einstellung von mehr Personal, z.b. eines Mobilitätsmanagers, spart kein CO2, fördert kein Bewusstsein und ist letztendlich die Verfolgung anderer Politik unter dem Deckmantel des Klimaschutzes. Die Förderung von Mini-PV-Anlagen zur Stromgewinnung ist als Maßnahme in den Klimaschutzfonds der Stadt Bargteheide aufgenommen worden. Es lässt sich aber darüber streiten, inwieweit die Förderung weiterhin sinnvoll ist, wenn das Land eine eigene Förderung auflegen sollte. Dass eine Fraktion aber aufgrund einer neuen Sachlage eine Entscheidung zu überprüfen wünscht, ist nicht „ignorant und unsozial“, sondern demokratisch und legitim.

Wir müssen Abstand davon gewinnen, dass jede Idee im Dunstkreis des Klimaschutzes per se gutzuheißen wäre. Dies ist nicht der Fall. 

In einem Punkt ist Herrn Leidner aber fast zuzustimmen. Heutzutage sollte jede verfügbare Energiequelle genutzt werden. 

Pressemitteilung von Gerhard Artinger von der WfB-Fraktion

Seitens der WfB sind wir stets dafür, Fakten zu diskutieren.
Nun hat im letzten Politikerwort Matthias Leidner (Bündnis 90 / Die Grünen) im Markt vom 12.10.2022 geschrieben, „die Förderung für die Mini-Solaranlagen wieder zu streichen, ist nicht nur kurzsichtig, ignorant, und unsozial …“. Wer also anders denkt als die Grünen, erkennt angeblich die „Dringlichkeit der Klimakrise“ nicht. Diese Vorwürfe empfinden wir als WfB ungeheuerlich und ungerechtfertigt.

Was sind die Fakten?

1) Ein Element des Klimaschutzes ist, dass weniger CO2 ausgestoßen werden soll. Dabei ist wichtig, dass wir wirklich den Ausstoß reduzieren und nicht nur von einem Ort auf einen anderen oder von einer Industrie auf eine andere verlagern. Denn Emissionen kennen keine Grenzen.

2) Damit effizient CO2 eingespart werden kann, hat man 2005 den europaweiten
Treibhausgasemissionshandel eingeführt. Stromproduzenten brauchen seither für jede Tonne CO2, die sie emittieren, ein Zertifikat. Die Anzahl der Zertifikate ist begrenzt und wurde seit 2005 bis heute schrittweise gesenkt. Dies führte im Sektor Energiewirtschaft und Großindustrie dazu, dass die CO2-Emissionen dort von rund 600 Mio. Tonnen im Jahr 2007 auf rund 400 Mio. Tonnen sanken. Der
Treibhausgasemissionshandel ist also ein effizientes Werkzeug, die Emission von CO2 zu vermindern.

3) Korrekt ist, dass jede von einer Photovoltaikanlage erzeugte Kilowattstunde Strom nicht fossil erzeugt werden muss. Man muss allerdings jetzt weiterdenken. Wenn das fossil betriebene Kraftwerk weniger läuft, braucht es weniger Zertifikate. Diese muss es nicht auf dem Markt ersteigern, die Zertifikate stehen anderen Erzeugern, Industrien und anderen europäischen Ländern zu Verfügung. Diese Betreiber können dann mehr CO2 ausstoßen. Die Gesamt-Einsparung ist also null. Es findet lediglich eine Verlagerung der CO2-Emissionen statt.

„Wer diese obigen Fakten nennt, ist weder kurzsichtig noch ignorant und unsozial.“, sagt Gerhard Artinger, Vorsitzender der WfB, und betont: „Es ist sinnvoll, Photovoltaik zu nutzen und seinen Stromverbrauch dem Angebot anzupassen. Jeder soll dies tun, wenn es sich für denjenigen rechnet. Die CO2-Einsparung wird effizient bereits durch den Zertifikatehandel erreicht. Eine weitere Einsparung durch Photovoltaik ist nicht möglich. Wer diese Tatsachen
leugnet, den könnte man als ignorant bezeichnen. Zusätzlich noch Subventionen zu fordern, ist vermessen. Subventionen führen nur dazu, dass Gelder umverteilt werden von unten nach oben. Das ist unsozial.“

Bild von Gerhard Altman auf Pixabay