Verhältnismäßigkeit

Andreas Samtleben | Aktualisiert: 17.06.2022 06:00 Uhr

Im Artikel 20 Absatz 3 unseres Grundgesetzes finden wir folgenden Satz:

„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“

Damit wird ausgedrückt, dass der Gesetzgeber, die Justiz und auch die öffentliche Verwaltung sich ebenfalls an Gesetz und Recht halten und das Gebot der Verhältnismäßigkeit befolgen müssen. So ist es sicherlich nicht verhältnismäßig, nur weil sie vor einer Sparkasse oder Bank parken, um dort einen Termin wahrzunehmen, bedauerlicherweise aber einem gesuchten Bankräuber sehr ähnlich sehen, ihnen die Reifen zu zerschießen, sich auf sie zu werfen, ihnen Handschellen anzulegen und ohne ein Wort abzuführen. Vielleicht sitzen in ihrem Auto auch noch ihre Frau und ihre 2 kleinen Kinder und bekommen alles mit. Die Exekutive (u.a. die Polizei) hätte sicherlich vorher anhand ihres Kennzeichen leicht ihre Identität feststellen können, oder hätte sie einfach nach ihrem Ausweis fragen können.

Juristisch gesehen sind für eine Verhältnismäßigkeit folgende Voraussetzungen notwendig:

  • Legitime Zweck: soll heißen, darf der Polizist überhaupt so nach Recht und Gesetz handeln?
  • Geeignetheit: Fördert die Maßnahme das Erreichen des Zwecks? Und nein, der Zweck heiligt nicht alle Mittel.
  • Erforderlichkeit: Existiert kein anderes bzw. milderes Mittel zum Erreichen des Zwecks?
  • Angemessenheit: In welchem Verhältnis stehen Vor- und Nachteile des Handelns?

Gehen wir das einmal auf unser oben genanntes Beispiel durch: Es ist sicherlich legitim, einen gesuchten Bankräuber dingfest machen zu wollen. Die oben genannten Maßnahmen waren allerdings dazu im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht geeignet. Die Schüsse auf die Reifen hätten andere Personen verletzen oder gar töten können, jemanden gewaltsam auf den Boden zu werfen, ihm seiner Freiheit durch Handschellen zu berauben und dann noch ohne Grund abzuführen, ohne die Identität festzustellen, entsprechen nicht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.

Ich hoffe sehr, dass niemand von uns so etwas jemals miterleben muss.

Nun spanne ich den, nicht ganz so dramatischen Bogen zur Bargteheider Verwaltung. Diese beruft sich aufgrund ihres Hausrechts darauf, in den Verwaltungsgebäuden, der VHS und der Bibliothek noch eine Maskenpflicht anordnen zu können.

Wegfall der gesetzlichen Grundlagen

Nach und nach wurden die Maßnahmen, die unsere Grundrechte einschränkten aufgehoben oder wurden, wie die von der Regierung beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht, höchstrichterlich geprüft.

Mit Wirkung vom 20.03.2022 wurde das Infektionsschutzgesetz (IfSG) der aktuellen Lage angepasst, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung lief mit Ende des 25.05.2022 aus. Neben der Verhältnismäßigkeit gibt es auch die Ermächtigungsgrundlage. Hier heißt es, dass Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde, vor allem ein Verwaltungsakt, nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage durchgeführt werden darf. Nun sind die Ermächtigungsgrundlagen, welche die Bürgerin und den Bürger zum tragen einer Maske zwingen, weggefallen. Das IfSG gibt im § 28a Abs. 7 Satz 1 explizit vor, in welchen Einrichtungen noch ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden muss. Eine kommunale Verwaltung findet sich nicht darunter. Daher beruft sich die Verwaltung auf ihr Hausrecht. Doch das ist umstritten. So hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen am 20.05.2022 (Az 8K 1034/22) die Maskenpflicht am Tübinger Landgericht in einem Eilverfahren als voraussichtlich rechtswidrig erachtet. Es fehle, wie bereits angesprochen, die Ermächtigungsgrundlage. Auch wurde die Öffentlichkeit nicht über die Hausverfügung des Tübinger Landgerichts informiert, auch nicht auf deren Webseite. Das heißt, die Besucherinnen und Besucher wissen gar nicht, dass und warum sie noch einen Mund-Nasen-Schutz tragen sollen.

Bargteheide.de ohne Information zur Maskenpflicht

Stand 04.06.2022, 21:10 Uhr sind auf der Webseite der Stadt Bargteheide keine Informationen zu finden, welche auf die Maskenpflicht Kraft Hausrecht im Rathaus hinweisen. Die letzte Information zur „Maskenpflicht im gesamten Gebäude mit FFP2-Standard“ stammt vom 18.03.2022, also vor der Änderung des IfSG und dem Wegfall der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Im Gegenteil, überall an den Türen ist die Androhung eines Hausverbots angebracht, sollte jemand ohne Maske im Rathaus angetroffen werden. Zutritt ohne Maske wird sowieso nicht gewährt.

Ob die Verwaltung damit möglicherweise ohne eine Ermächtigungsgrundlage handelt, damit werden sich eventuell noch die Gerichte beschäftigen müssen.

Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit ließe sich ebenfalls stellen. Stand heute gibt es im gesamten Kreis Stormarn (244.989 Einwohner) 984 COVID-Fälle.
Von den 31 Intensivbetten im Landkreis, werden von 25 belegten Intensiv-Krankenhausbetten 2 durch Covid-Patienten belegt. Ob und welche COVID-Daten es für Bargteheide gibt, sind mir nicht bekannt. Sie könnten zumindest die Maskenpflicht im Rathaus untermauern, wenn sie den pandemisch wären.

Die Fraktion der Freien Demokraten in Bargteheide hat am 01.06.2022 zum Thema Maskenpflicht im Rathaus und dessen gesetzliche Grundlage eine kleine Anfrage an die Verwaltung gestellt.

Die Stadt plant die Beantwortung am 15.06.2022 im Haupt- und Sozialausschuss am 23.06.2022 in der Stadtvertretung.

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