Apotheken im Kurzstreik

Andreas Samtleben 20.10.2022

Wer sich am gestrigen Mittwoch wie gewohnt aufmachte, um zu seiner Apotheke zu gehen, stand vor verschlossener Tür, zumindest ab 12:00 Uhr. Eine Apotheke hatte Notdienst, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.

Der Grund ist die für heute geplante Verabschiedung des GKV-Finanzstabiliserungsgesetzes im Bundestag. In diesem Gesetz geht es um die Entlastung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Für die Apotheken bedeutet das, dass sich ihr gesetzlich festgeschriebener Rabatt pro ausgegebener, verschreibungspflichtiger Arznei an die GKV um 23 Cent auf 2 Euro erhöht, erst einmal für zwei Jahre. Im Gegensatz dazu, hat sich das Honorar der Apotheken eben für die Abgabe des verschreibungspflichtigen Arzneimittels (8,35 Euro lt. GKV Spitzenverband) seit 10 Jahren nicht verändert, die Tariflöhne aber schon.

Die letzte Tariferhöhung war am 01.01.2022, eine weitere folgt am 01.01.2023. Für eine angestellte Apothekerin mit 6-10 Berufsjahren bedeutet das dann einen Anstieg im Monat gegenüber dem Gehaltstarif von vor 2022 um 325 Euro brutto. Für eine Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) bei gleichen Berufsjahren steigt das Gehalt um 280 Euro. Und die Tarife steigen mit den Berufsjahren weiter an.

Wer sich ins Gedächtnis ruft, wie viele Mitarbeiterinnen z.B. in der Rathausapotheke Kunden bedienen und beraten, kann sich möglicherweise vorstellen, was das für die Inhaberin bedeutet. Auch die während der Pandemie zusätzlich geleistete Arbeit, wie die Beschaffung, Abgabe und Abrechnung von kostenlosen FFP2-Masken oder die Ausstellung der Impf-Zertifikate, scheint schon wieder vergessen zu sein.

Inhaber:innen von Apotheken wirtschaften auf eigenes Risiko. Meist sind sie eingetragene Kaufleute. Ist die Apotheke nicht mehr wirtschaftlich genug, muss er oder sie aufgeben. Deutschlandweit haben in den letzten 22 Jahren um die 3.300 Apotheken ihre Türen für immer geschlossen, was neben der nahen Versorgung der Bevölkerung und das gerade auch auf dem Land, Arbeitsplätze gekostet hat. Das neue Gesetz scheint sich nicht gerade hilfreich den Apotheker:innen zuzuwenden. Steigende Energiekosten, unterbrochene Lieferketten, nicht lieferbare Arzneimittel und Personalmangel kommen noch obendrauf.

Demgegenüber stehen die gesetzlichen Krankenkassen. Sie sind laut Bundesgesundheitsministerium eine „Säule des deutschen Gesundheitssystems…“. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und handeln mutmaßlich im Sinne und zum Wohle der gesetzlich Versicherten und mit deren Geldern. Kritisch zu sehen sind hier die Personal- und Verwaltungskosten der Versicherungen. Für das Jahr 2020 beziffert das Bundesgesundheitsministerium diese in einer Höhe von 11.807.866.165 Euro oder ausgeschrieben: Elf Milliarden achthundertsieben Millionen achthundertsechsundsechzigtausendeinhundertfünfundsechzig.

Auch die Gesetzlichen Krankenkassen sind geschrumpft, meist durch Fusionen und wahrscheinlich ohne große Arbeitsplatzverluste. Gab es 1970 noch 1.815 Gesetzliche Krankenversicherungen, sind es heute noch 97. Das sind 1.718 weniger, in 52 Jahren.

Und die an ihrem Stand stehenden, freundlichen Mitarbeiterinnen der Rathausapotheke entschuldigten sich fast dafür, heute mal auf sich aufmerksam gemacht zu haben.

Während dessen stoßen sich sehr viele Kunden an den verschlossenen Türen ihre Nasen.

Wohl, dass da noch eine Apotheke steht, auf die sie stoßen können.

Bild von Arek Socha auf Pixabay