Gelebte Demokratie?

Andreas Samtleben | 02.10.2023

Im März 2023 beschloss die schwarz-grüne Landesregierung in Kiel mit ihren Stimmen eine Änderung im Kommunalrecht. Neben einem eingeschränkten Bügerbegehren wurde auch die Anzahl von Stadtvertretern erhöht, die für die Bildung einer Fraktion notwendig sind. Diese Anzahl hat die FDP in Bargteheide nicht erreicht. Somit konnte sie keine Fraktion bilden und hat damit in den Ausschüssen, wo die meiste politische Arbeit geleistet wird, weder ein Stimmrecht noch das Recht, Anträge zu stellen. Auch bürgerliche Mitglieder, also Menschen, die sich ehrenamtlich für Kommunalpolitik engagieren, darf die FDP nicht stellen. Grundpfeiler einer Demokratie wurden hier ausgehöhlt.

Bereits in der Wahlnacht sicherten Vertreter von WfB und CDU der FDP ihre Unterstützung zu. Diese Unterstützung wurde nun am 28. September in der 2. Sitzung der Stadtvertretung umgesetzt. Unter dem Tagesordnungspunkt Ö 22 „Neufassung der Hauptsatzung…“ wurde mit den Stimmen der CDU, der WfB sowie der FDP und gegen die Stimmen der SPD und der Grünen eine Änderung der Sitze in den Ausschüssen auf 13 Mitglieder (von vorab 12 Mitgliedern) beschlossen. Die CDU, die das Recht auf diesen 13. Sitz hat, überlässt ihn der FDP. Damit haben die FDP-Stadtvertreter in den Ausschüssen wieder ihr Stimmrecht, können Anträge einbringen und bürgerliche Mitglieder benennen, auf dem Ticket der CDU sozusagen. Den Fraktionsstatus erhält die FDP damit nicht. Trotzdem ist sie unabhängig in ihrem Abstimmungsverhalten, alles vorbehaltlich der Zustimmung der Kommunalaufsicht.

Der gemeinsame Antrag wurde bereits im Hauptausschuss am 13.09.2023 eingebracht, fand dort allerdings keine Mehrheit. Für den Antrag stimmten CDU und WfB, dagegen SPD und Grüne. Am Ende gab es 6 Ja-Stimmen und 6 Nein-Stimmen. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. In der Stadtvertretung sieht die Stimmenverteilung anders aus. Die CDU hat 14 Sitze, die SPD 9, die Grünen 8, WfB 5 und die FDP 2 Stimmen.

Ohne die Hilfe von CDU und WfB hätte die FDP das Urteil des Landesverfassungsgerichts abwarten müssen. Wann das kommt, ist nicht absehbar. Absehbar ist aber, dass die zwei Stadtvertreter die anfallenden Ausschüsse alleine nicht wirklich bewältigen können. Sie benötigen also bürgerliche Mitglieder.

SPD und Grüne Stimmung dagegen

SPD und vor allem Grüne waren mit der Änderung der Ausschussgröße unzufrieden. Der Fraktionsvorsitzende Mehmet Dalkılınç sah seine Partei nicht „mitgenommen“ und Michael Schroer aus der Grünen-Fraktion stellte wiederholt ein Desinteresse der FDP fest, da in zwei Ausschüssen (Hauptausschuss und Finanzen und Wirtschaft) deren Vertreter (entschuldigt) nicht anwesend waren.

Nun mag man Herrn Schroer zugutehalten, dass er ganz besonders auf die FDP schaut, damit sie nicht gänzlich verloren geht. Und möglicherweise konnte sich Mehmet Dalkılınç an die vorab geführten Gespräche nicht mehr erinnern oder hatte gerade zu der Zeit ein Taubheitsgefühl in den Ohren. Fakt ist, als Argumentationen können beide „Vorwürfe“ wohl nicht gewertet werden.

Marion Luig-Wölffel von der WfB brachte es auf den Punkt, als sie von „gelebter Demokratie in Bargteheide“ sprach und bei allen Parteien um ihre Zustimmung warb.

Zwei Parteien konnten diesem Werben nicht folgen.

Hintergrund

Eingeschränkte Bürgerbegehren

Im Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften wurde beschlossen, dass Bürgerbegehren gegen Bauleitplanungen künftig dann ausgeschlossen sind, wenn sie von einer Kommunalvertretung mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurden. Weiterhin ist es erst nach zwei Jahren wieder möglich, ein erneutes Begehren dagegen zu starten. Bürgerbegehren, die sich gegen einen Beschluss der Kommunalvertretung wenden, müssen jetzt innerhalb von drei Monaten eingereicht und durchgezogen werden.

Fraktionsgröße angehoben

Im gleichen Gesetz wurde auch die Fraktionsgröße geändert. Ab 31 Stadtvertreterinnen und Vertretern beträgt die Mindestanzahl für eine Fraktion drei Personen.

Die FDP in Bargteheide holt bei der Kommunalwahl 2023 6,6 % der Stimmen und zog mit zwei Vertretern in Stadtvertretung ein. Da diese nun auf 38 Stadtvertreter und -innen anwuchs, kann die FDP keine Fraktion mehr bilden. Das bedeutet, die Vertreter können in den Ausschüssen weder Anträge einbringen, noch haben sie ein Stimmrecht. Bürgerliche Mitglieder dürfen sie auch nicht stellen. Man bedenke, die Arbeit ist ein Ehrenamt, in das viel Zeit investiert werden muss.

Klage vor dem Landesverfassungsgericht

Ein Eilantrag der Landes-FDP und des SSW wurde bei Gericht abgewiesen und so gilt es, die Entscheidung des Gerichts nun abgewartet.